Kollaboration mit HELMRINDERKNECHT contemporary design, Berlin

Was ist der Unterschied zwischen Kunst und Design? Kann heute überhaupt noch von einer Grenze zwischen den beiden Disziplinen die Rede sein? Die Diskussion über das Verhältnis von Kunst und Design im Allgemeinen sowie über die Gültigkeit der privilegierten Stellung der Kunst gegenüber dem Design fand in den vergangenen Jahren wieder vermehrt Beachtung. Dies vor allem auch vor dem Hintergrund der zunehmenden Sichtbarkeit und dem steigenden Marktwert von Design sowie dem zunehmenden Interesse an der Fertigung von Design-Editionen sowie Einzelstücken.

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Die Idee einer freien, nicht auftragsgebundenen Kunst entstammt den Emanzipationsbewegungen der bürgerlichen Aufklärung des 18. Jahrhunderts. Eine der Folgen dieser wachesenden Autonomie der Kunst war die Feststellung der Differenz zwischen einerseits ‚freier Kunst’ und andererseits ‚zweckorientierter Kunst’. In Folge dessen bildete sich die Vorstellung zweier unabhängiger, sich gegenseitig ausschließender Disziplinen. Im Zuge der Industrialisierung und der Massenanfertigung von alltäglichen Gebrauchsgegenständen wurde Design, eine sogenannte harte Dienstleistung, als quantifizierbar, nützlich, real betrachtet – Kunst als reflexiv, ästhetisch, ohne funktionalen Nutzen, aber von entscheidender gesellschaftlich-kultureller Bedeutung. Obwohl von verschiedenen Gestaltungsströmungen die soziale und gesellschaftliche Verantwortung und Bedeutung von Designern immer wieder betont und gefordert wurde, blieb das Design als Disziplin weniger beachtet. Bezeichnend ist dafür, dass dieses Phänomen wiederum beinahe ausschliesslich aus kunsthistorischer bzw. kunsttheoretischer Sicht betrachtet wurde, wohingegen sich eine eigene Theorie des Designs erst in den letzten Jahrzehnten formierte.

Die künstlerische Auseinandersetzung mit der Ästhetik des Industriedesigns fordert schon seit seinen Anfängen im 19. Jahrhundert immer wieder Diskussionen über Abgrenzungen und Annäherungen heraus. In der Kunst des 20. Jahrhunderts spielte das industriell hergestellte gestaltete Gegenstand schliesslich nicht länger eine Nebenrolle, sondern provozierte selbst immer wieder grundlegende Fragen zur gesellschaftlichen und ökonomischen Stellung von Kunst und ihren Repräsentationen. Die Frage nach dem Verhältnis zwischen Kunst und Design wurde mit dem zunehmenden Aufweichen der Grenzen zwischen den beiden Bereichen seit den späten 1960er- Jahren vermehrt virulent. So wurde im Namen der Kunstkritik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts viele ideologische anmutende Diskussionen um das Territorium des Designs und der Kunst geführt. Um zu zeigen, was nicht Kunst ist, verwies man dabei auf Design und umgekehrt. So kritisierte Clement Greenberg die Minimal Art der 1960er Jahre wie folgt: „Behind the expected, self-cancelling emblems of the furthest-out, almost every work of Minimal Art I have seen reveals in experience a more or less conventional sensibility. […] I find myself back in the realm of Good Design, where Pop, Op and Assemblage, and the rest of Novelty Art live.“

Eine Antwort seitens der Künstler liess nicht lange auf sich warten und sollte den Vorwurf von Greenberg, der sich auf die kanonbildende GoodDesign-Ausstellungsreihe des Museum of Modern Art (1950-1955) bezog, noch übertreffen. So lud Donald Judd beispielsweise ab 1968 in seinen Privaträumen regelmässig zu gemeinsamen Präsentationen seiner Skulpturen und Möbel ein und kritisierte damit die Unfähigkeit Greenbergs, individuellen künstlerischen Qualitäten jenseits medienwirksamer Gruppenbezeichnungen wie Minimal Art Aufmerksamkeit zu schenken. Die damalige Diskussion hatte vielschichtige Konsequenzen: Einerseits zementierten sie eine generelle Unterscheidung zwischen Kunst und Design gemäss dem Parametern der Funktionalität. Andererseits wurde Good Design von Greenberg als eigene kulturelle Disziplin anerkannt, die sich von der herkömmlichen anonymen Massenproduktion unterscheidet. Zudem bezeichnet Greenberg mit damit auch eine, zumindest in den USA, damals anerkannte museale Disziplin. Damit ist Good Design zu einer Kategorie geworden, die angesichts einer Krise des Kunstbegriffs in den folgenden Jahrzehnten immer wieder als Beispiel für kritische Diagnosen, was eben nicht Kunst ist, bemüht wurde und trotz seiner negativen Rolle in der kunstkritischen Argumentation dabei auch eine Wertschätzung erhielt, die Autorendesign als kulturelles Feld bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlangen konnte.

Ein Designbegriff, der sich seit Ende des 19. Jahrhunderts vor allem auf Dinge des Industriedesigns bezogen hat, wird heute sehr viel breiter verstanden und bezeichnet nicht länger nur eine bestimmte Kategorie von (industriell produzierten) Gegenständen, sondern thematisiert auch ästhetische Erfahrungen und räumliche Umgebungen. Während das Manifest eines Critical Design selbstkritische Momente im Design zu etablieren versucht, entsteht daneben der Begriff, „DesignArt“, der Arbeiten konkret in einer Sphäre zwischen Design und Kunst ansiedelt. Der Begriff wurde zunächst von den Künstlern Joe Scanlan und Neal Jackson geprägt, später von dem britischen Kunstkritiker Alex Coles in der gleichnamigen Publikation genutzt, um Phänomene im Kunstkontext zu beschreiben, die sich explizit auf Design beziehen. Designkritiker ihrerseits bezeichnen oftmals Kleinserien oder Einzelstücke, die für Ausstellungen in Designgalerien und -museen produziert werden, ebenfalls als DesignArt. Sowohl im Design als auch in der Kunst ist die ästhetische Erfahrung eines Ausstellungsformats heute gängige Praxis. Besonders mit der Entwicklung der Installation zum dominierenden Ausstellungsformat der Gegenwart sind sich die beiden Kontexte von Kunst und Design noch näher gekommen. Ein Beispiel dafür ist die Ausstellung ‚Selected Furniture Sculptures’ von John Armleder im Swiss Institute in New York. Bereits der Titel der Ausstellung nimmt sämtliche Entwicklungen in der Diskussion über das Verhältnis von Kunst und Design in sich auf. So wird in Abgrenzung vom Möbel als industriell gefertigte Massenware auf die Selektion ausgewählter Ausstellungsobjekte verwiesen. Weiter erfahren die Objekte durch die Bezeichnung als „Möbel-Skulpturen“ die ultimative Hybridisierung von Kunst- und Designkontext.

So wie in Armleders aktueller Ausstellung in New York, findet die zunehmende Aufwertung des Designbegriffs bzw. der Tätigkeit des Designers auch mit dem vermehrten Verweis auf die (scheinbar schon immer dagewesene) Designtätigkeit von Künstlern Ausdruck. Gerade Judd wird in diesem Zusammenhang, wie es hier ebenfalls bereits erfolgte, oftmals als Beispiel herbeigezogen, da dieser in den 1970er Jahren denn auch denn auch tatsächlich damit begann Stühle, Tische und Regale herzustellen und zu verkaufen. In der Atmosphäre seines umgebauten Lofts kombinierte er die Qualitäten eines White Cube mit dem selbsthergestellten Einrichtungsgegenstände. Greenbergs Vorwurf Good Design zu produzieren, wandelte der Künstler so in eine räumliche Grenzsituation zwischen seiner Kunst- und Designproduktion um und knüpfte auf diese Weise an die Konventionen der Warenpräsentation industriellen Designs an, an dessen repräsentativen Ausstellungscharakter im bürgerlichen Haushalt und an den damaligen Standard moderner Kunst an, um den bröckelnden Werkbegriff der Kunst mit Hilfe des Designs räumlich weiter zu entwickeln.

Während Judd Konflikte zwischen Einrichtung, Kunstobjekt dadurch jedoch kaum auflöste und seine Position als Künstler damit bestätigt sah, haben sich die Grenzen des Selbstverständnisses von Künstlern wie Designern zunehmend gelockert. So baut Ron Arad Möbel, die aussehen, als könne man sie aufgrund ihrer exzentrischen Formen auch in den Sälen von Kunstmuseen neben den ausgestellten Skulpturen platzieren. Humberto und Fernando Campana aus Brasilien akkumulieren Plüschtiere erfolgreich zu ausladenden Sesseln, als wenn der Künstler Mike Kelley seine aneinandergenähten Plüschtiere aus den neunziger Jahren in Sitzmöbel umgeformt hätte. Der Koreaner Kwangho Lee entwirft Lampen aus verknäulten Schnüren, die kaum noch ihrer Funktion als Leuchtkörper nachkommen und in ihrer sperrigen Ästhetik an die Objekte und Installationen von Eva Hesse aus den sechziger Jahren erinnern. So folgt die Überlagerung oder Vermischung der identitätsstiftenden Kategorien Kunst und Design von zwei Seiten aus: Heute machen Künstler Installationen zum Benutzen, Designer schaffen Unikate zum Sammeln und Betrachten. Scheinbar mühelos werden die Disziplinen gewechselt. In diesem Zusammenhang können Jorge Pardo, Tobias Rehberger, Andrea Zittel, Olafur Eliasson oder das Atelier van Lieshout genannt werden. Tobias Rehberger sieht die Frage nach der Beziehung zwischen Kunst und Design als zunehmend hinfällig, ist sie doch eine Frage der Perspektive: „Ich glaube […] nicht, dass es Dinge gibt, die dieses oder jenes sind. Es gibt nicht das Design an sich und es gibt auch nicht die Kunst an sich. Vielmehr gibt es Perspektiven, die man willentlich einnehmen muss. Wenn ich etwas anschaue, dann muss ich es als Kunst anschauen wollen, um es zu Kunst zu machen. Und ich muss etwas als Design ansehen wollen, um es zu Design zu machen, je nachdem, welche Sicht erfolgreicher ist. Es kann unter der einen Struktur interessanter und erhellender sein als unter der anderen. Also ist es immer das, als was man es anschaut.“

In Anlehnung an Rehberger können Kunst und Design heute als sich gegenseitig inspirierende und bereichernde Kreativbereiche zwischen Inhalt, Funktion und Form verstanden werden. In der Gruppenausstellung ‚Reflections on forms’ wird letztere in den Vordergrund gerückt. Zeitgenössisches Kunstschaffen und zeitgenössisches Design werden in Kontext zueinander gesetzt und der Blick auf die oftmals überraschenden Überschneidungen gerichtet, die sich im visuellen sowie gestalterischen Alphabet zeitgenössischer Künstler und Designer gleichermassen wiederfinden. Trotz unterschiedlicher Ausdrucks- und Herangehensweisen sowie divergierenden inhaltlichen Interessensschwerpunkten überraschen die Lösungen bezüglich der Ähnlichkeiten in ihrer ästhetischen Ausprägung. So findet sich etwa im Bildaufbau einer Zeichnung des holländischen Künstlers Marc Nagtzaam die Struktur eines Wandregals von Alex Valder wieder oder die Verwendung von Fund- oder Halbmaterialien finden bei Künstlern wie Shana Lutker und Pauline Bastard und Designern wie Loris&Livia in deren finalen Präsentationen zu einer durchaus ähnlichen (Form-) Sprache.

Text: Eliza Lips

Literatur:
– Bloemink, Barbara: Sameness and Differene in Art and Design, Jerusalem 2006.
– Coles, Alex: DesignArt: on art’s romance with design, London 2005.
– Meltzer, Burkhard: Design: Selbstkritik der Kunst, in: It’s Not a Garden Table, Kunst und Design
im erweiterten Feld, Zürich 2011, S. 91-107.
– Menne, Katrin: Whose territory? Zum Verhältnis von Kunst und Design, Pforzheim 2010.